Samstag, 19. Oktober 2013

Vom Verzichten und Vermissen

Über dieses Thema mache ich mir nun schon lange Gedanken, weil Herzblatt immer und immer wieder diese Probleme hat.
Einerseits kann er nicht von was lassen, andererseits will er das auch nicht...

Was mich zu mir führt...
Was ist der Unterschied zwischen verzichten und vermissen? Mir gehts jetzt auch nicht um Definitionen, sondern, was ist für mich der Unterschied?

Als Erstes, klar: Verzicht, weglassen aus welchem Grund auch immer. Sei etwas zu teuer oder ausverkauft oder auch aus Vernunftgründen, wie bei LCHF, ungünstige Lebensmittel weg zu lassen, es hat eher was mit einem Zwang zu tun. Selbst wenn man damit ein echt gutes, positives Ziel verfolgt.

Nun sind wir ja an SO viele Dinge gewöhnt. Plötzlich etwas wegzulassen oder sich ganz anders verhalten als sonst, das erfordert im ersten Moment gar nicht mal so viel Disziplin. Denn Neues macht ja auch Spaß, ist eine Herausforderung.
Wie also nach dem ersten Verliebtsein auch, ist es der Alltag, der die wirkliche Herausforderung darstellt.
Und dann erinnert man sich an seine Gewohnheiten. Früher in dieser Situation habe ich das gemacht oder jenes gegessen.
Kommt hier also nun das Vermissengefühl hoch?
Wenn das neue Leben sich eingespielt hat und man eigentlich eine Sicherheit vermittelnde Routine entwickelt hat. Die neuen Muster sind vielleicht noch nicht so tief geprägt, wie die der letzten Jahrzehnte.

Für mich persönlich ist der Verzicht auf früher geliebte Sachen nicht dramatisch. Und, etwas weniger drastisch, auch nicht so "schlimm", dass ich darüber nachdenken würde.

Doch ich sehe mich hier in einem unglaublichen Vorteil vielen Abnehmern gegenüber:
Mache ich eine Ausnahme, erwischt mich nicht nur die lästige Wassereinlagerung und somit eine Gewichtzunahme und der KH-Kater. Ich werde regelrecht krank von Ausnahmen, von den leckeren Dingen, die ich früher mochte.

Während die glutenfreie Kartoffel noch einigermaßen zu vertragen ist mit nur 4-Tages-Verstopfung, ziehenden Magenschmerzen, Sofort-Blähungen, Wassereinlagerung, Kopfschmerzen, so ist die Nudel aus Getreide quasi hausgemachter Terror für eine Woche.
Zu den vorigen Auswirkungen kommen noch juckende und schmerzende Hautausschläge an den Beinen hinzu, fiese schmerzende Pickel im Gesicht und hinter den Ohren(!), gerne auch noch Gelenkschmerzen, so dass ich kaum greifen kann.
Von obligatorischen, vermehrten Hungergefühlen mag ich schon gar nicht mehr schreiben...

Der ganze Spuk dauert ca. eine ganze Woche, je nach Art der Ausnahme mehr oder weniger.

Was für mich also bedeutet: Ich verzichte ja auf gar nichts. Denn das, was ich weglasse, macht mich krank. Und fett. Wie ich, eher zufällig, sogar mit Arztberichten nachweisen kann.

Hat jetzt jemand nicht diese ganzen Probleme, so kann ich mir gut vorstellen, dass ab dem Alltag die Herausforderung und das Maß an Disziplin größer werden, auch wenn mit einer ketogenen Ernährung zumindest der Heißhunger keine Chance mehr hat.

Und hier kommt der Punkt Vermissen ins Spiel. Der hat für mich ganz klar eine emotionale Komponente, wenn nicht sogar Emotion pur.
Ich brauche nur an Magenschmerzen denken, die die Folge von einem Schoko-Obst-Spieß auf den kommenden Weihnachtsmärkten sein werden, da hab ich sofort keinen Appetit mehr drauf. Selbst wenn der Hunger dann auch noch so groß ist.
Doch andere, die sind da schlimmer dran. Da kommen dann Gedanken hoch, wie: Im Urlaub gönne ich mir mal was, oder: Es ist doch *gewünschte Art des Jubiläums/Feiertages einsetzen*, da kann ich mal ne Ausnahme machen.

Für mich, klar, hat das nichts mit Gönnen zu tun. Aber: es hat auch lange gedauert, bis ich das verinnerlicht hatte! Heute kann ich sagen, dass genau dieses Gönnen einen Schaden für meinen Körper darstellt.

Ich würde schon sagen, dass ich manche Geschmäcker vermisse. Doch nach langem Grübeln vermisse ich den Geschmack nicht wegen des Geschmackes. Sondern wegen der emotionalen Verbindung!

Beispielsweise, und das ist ein doofes Beispiel, weil es eben auch ohne die emotionale Verbindung toll ist: Meine Oma kochte früher für meinen Bruder und mich. Oft in ihrer Wohnung, auf dem alten Ölofen. Eines meiner liebsten Gerichte war Omas Kotelett. Sie schnitt in das Fleisch kleine Taschen und packte dort je eine kleine Knoblauchzehe rein, 1-2 Stück je Seite. Dann erst gewürzt und paniert. Und dann schön langsam in Butter gebraten.
Dieses Fleisch war herrlich zart und die weichen Knoblauchzehen erst...
Es gab dazu zwar Kartoffeln/Nudeln oder Knödel mit *urks* Rahmsoße ausm Päckchen. Die schmeckte mir schon als Kind nicht, aber ich hab alles gegessen. Und warum? Damit Oma sah, dass mir ihr Essen schmeckte und sie mich deswegen lieb hat. Und weil sie das Essen mit einer liebevollen Gewohnheit zubereitete. Es schmeckte grundsätzlich besser, als das von Muttern.

Heute würde ich mir nur das Kotelett machen. Und in gemahlenen Mandeln panieren, denn das schmeckt auch Nicht-LCHFlern viel besser ;-)
Aber ich habe mir bis heute nicht ein Mal so ein Kotelett gemacht.... ;-)

Mir ist bislang kein einziger Geschmack eingefallen, den ich wegen seiner Eigenschaft vermisse. Nur wegen der emotionalen Erinnerung.
Mit Blick auf die üblen Auswirkungen muss ich sagen: Da erinnere ich mich lieber an die Geschichte, die der Geschmack mit sich trägt, als den Geschmack selbst wieder zu erleben.

Ich denke, dieses eher sentimentale Vermissen ist noch leichter zu ertragen. Man kann die Ausnahme schneller sein lassen, wenn man dahinter gestiegen ist, dass die Erinnerung schöner ist und der Geschmack der Ausnahme die Ziele wieder in die Ferne rücken lässt.
Vom schlechten Gewissen ganz zu schweigen ;-)

Ganz übel erscheinen mir Stresssituationen, die länger andauern. Hat man sich bei kurzzeitigem Stress noch eher im Griff, mit dem Gedanken ist ja bald alles rum (Prüfungen z.B.), so liegt das Problem bei länger dauerndem Stress.
Und noch schlimmer vielleicht: Wenn solche Situationen nicht schlagartig kommen, sondern sich über einen längeren Zeitraum einschleichen und der Berg der Probleme wächst. Sei es eine fiese, lange Krankheit der Lieben, mal wieder der Partner oder irgendwas im Job.
Sich hier bewusst zu werden, dass diese Probleme nicht besser werden durch Ausnahmen, sondern sich im Gegenteil sogar noch in die Höhe schrauben durch das anfänglich schlechte Gewissen und das später einsetzende Es-sich-schön-reden-weil-ich-das-jetzt-brauche... das klingt nach echter Herausforderung.

Niemand "braucht" Ausnahmen, die den eigentlichen Zielen im Wege stehen. Die Quittung kommt samt schlechtem Gewissen und erneuten guten Vorsätzen.
Hat man das Gefühl, etwas in einer bestimmten Situation zu "brauchen", dann liegt das eher daran, dass man sich früher so verhalten hat, anstatt eine andere Lösung oder Verhaltensweise für diese Lage zu finden.
Auch das "Gönnen" in bestimmten, eher angenehmen Situationen: Ist es wirklich ein Gönnen?
Sich etwas zu gönnen klingt für mich positiv. Aber wenn es mich und meine Ziele behindert, was ist dann noch positiv daran?



4 Kommentare:

  1. Ein sehr interessanten Post, der einen in's Grübeln bringt. Aber Du bringst es super auf den Punkt. Essen ist eben nicht nur essen und das ist das Problem. Man muss sich eben vom emotionalen Essen in jeglicher Hinsicht entfernen!
    Gemein sind auch Gerüche, die können auch Nostalgie auslösen und ich gönne mir öfter mal was, aber z.B. ein Bad, einen langen Spaziergang mit Mann und Hund....War aber bei mir auch ein langer Prozeß!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke Trinchen :-)
      Und stimmt, Gerüche können auch so fiese Fallen sein... aber das allerfieseste sind für mich diese emotionalen Verbindungen! Wenn man da nicht ständig auf der Hut ist....
      Aber wir schaffen das :-)

      Liebs Grüßli :-)

      Löschen
  2. Recht hast du, Kathi.

    Gruß Minze

    AntwortenLöschen